Die Mondperle

1.
„Er ist tot, Jack.“
„Wer?“, keuchte die Stimme in ihrem Rücken rau.
„Mein Vater.“ Helen ließ das Handy sinken. „Hören wir
auf, jetzt klappt es bei mir sowieso nicht mehr.“
Jack Daniels, wie die gleichnamige Whiskymarke aus Tennessee,
nur weniger anregend und magenerwärmend, hielt
sich ihr Handy ans Ohr. Am anderen Ende der Leitung war
nur noch das ungeduldige Tuten des Besetztzeichens zu hören.
Seufzend legte er auf, warf das Handy aufs Bett und
rollte sich zur Seite. Wenn Helen meinte, sie bekomme keinen
Orgasmus mehr, würde er sich vollkommen umsonst ins
Zeug legen. Als ob ein paar Lustschreie mehr oder weniger
jetzt noch etwas daran ändern könnten. Durch Enthaltsamkeit
würde sie ihren Vater jedenfalls nicht wieder zum Leben
erwecken.
„Willst du darüber reden?“, erkundigte er sich pflichtbewusst
und sah ihr dabei zu, wie sie gedankenverloren ihre
Kleider aufsammelte. Dabei streckte sie ihm ihr Hinterteil
unabsichtlich, aber um nichts weniger verführerisch entgegen.
Wenn sie die schwarze Spitze, die letzte gefallene Bastion
auf dem Bettvorleger, aufhob, würde sie ihm erfreulich
nahe kommen. Ahhh … Schon schwangen Londons außergewöhnlichste
Möpse direkt vor seine Nase. Hoch und spitz
machten sie den Kurven jenes Playmates Konkurrenz, dessen
Poster in seinem Spind im Fernsehsender hing. Hm …
Unterdessen hatte sie sich gebückt und schlüpfte nun in
den schwarzen Spitzenslip, wobei sie ihm den Rücken zuwandte.
Ihre Pobacken, zwei straffe glatte Rundungen am
Ende wohlgeformter langer Beine, in Griffweite vor ihm.

Dazwischen wölbte sich das Himmelreich auf Erden, rosig,
nass und angeschwollen von ihrer hitzigen Vereinigung. Sofort
sah er eine reelle Chance. Wozu aufgeben, schließlich
gab es eine befriedigendere Therapie gegen Kummer, und reden
konnten sie ja auch noch danach. Aufs Höchste erregt,
sprang er aus dem Bett und presste sich von hinten an sie.
Doch obwohl er sie an den Hüften packte, schaffte sie es, in
ihre Jeans zu steigen, sie hochzuziehen und seinen flink dazwischendrängenden
Mitstreiter beiseitezuschieben.
„Danke für dein Mitgefühl“, sagte sie in Bezug auf sein
weniger handgreifliches Angebot von vorhin. Als Jack seine
Hände auf ihre Brüste legte, hielt Helen inne. Anstatt die
Gürtelschnalle ihrer Jeans zu schließen, betrachtete sie seine
langen Finger, die sich langsam zu ihren Knospen vorarbeiteten.
Alles an ihm war lang und wohlgeformt. Ahhh … ihre
Brustwarzen waren ungemein sensibel, warum mussten sie
denn nur so empfindlich sein. Aber eine kurze Flucht, ein
kleiner Rausch, das war vielleicht nicht einmal verkehrt, um
sich abzulenken und die widerstreitenden Gefühle für einen
Moment zu verdrängen. Sie hasste es, von irgendetwas überrollt
zu werden. Jack hatte recht, das hier war im Moment
besser.
Sie stöhnte und seufzte, und dann sagte sie eine ganze
Weile gar nichts mehr.
Ihr Herz schlug immer noch schnell, als sie sich aus seiner
Umarmung befreite. „Sei mir nicht böse, Jack, aber ich
möchte jetzt gern allein sein.“
„Kein Problem“, lächelte Jack. Er hatte abgefeuert, und
auch Helen hatte einen kurzen, heftigen Höhepunkt gehabt.
Kein Sternenflug und nicht wirklich befriedigend, aber an9
gesichts der Umstände mehr, als er erwarten konnte. Wo er
doch zunächst gedacht hatte, es zu versuchen wäre völlig
sinnlos. Was wollte er also mehr? Offensichtlich nahmen die
Gedanken an den Tod ihres Vaters nun ihre ganze Aufmerksamkeit
in Anspruch. Zumindest war das etwas, worauf die
Hübsche nicht vorbereitet war. Große Gefühle ausgeschlossen,
er wusste Bescheid. Helen hatte aus ihrer Abneigung
dem Vater gegenüber nie einen Hehl gemacht. Aber nun warteten
die Haushaltsauflösung und die üblichen Laufereien
auf sie. Gewiss würde die Fahrt über den Styx da drüben mit
großem Pomp inszeniert werden.
Langsam wandte sich Helen um. Auf ihrem Antlitz spiegelte
sich etwas, das Jack berührte. Mitfühlend hauchte er ihr
einen Kuss auf die leuchtend rote Mähne. Der Tod des Alten
war ihr nie und nimmer gleichgültig.
Jack begab sich ins Bad, und Helen schlurfte, ein T-Shirt
überstreifend, in die Küche. Stilmäßig passte nun ein Whisky,
fand sie. Ein Glenkinchie aus den schottischen Lowlands
stand auf der Anrichte. Jetzt ging es darum, die sich plötzlich
auftuende innere Leere zu bekämpfen, und was war dafür
besser geeignet als Whisky. Ihr Vater war der letzte Vertreter
der nun endgültig ausgestorbenen Rasse britischer Kolonialherren
von anno dazumal gewesen, jene Gin- und Whiskytrinker
mit der obligaten Havanna zwischen den Zähnen.
Ganz wie Churchill, mit demselben Charisma, nur dass er
dessen Alter nicht erreicht hatte. Mit dem zehnjährigen honigfarbenen
Malt ließ sie sich auf dem gleichfarbigen Ledersofa
nieder und sank in dicke Rohseidenkissen. Gerade als
sie das Glas an die Lippen setzte, erschien Jack in der Tür.
Ohne ihn zu beachten, schloss Helen die Augen und genoss
den ersten Schluck. Sie spürte, wie der Whisky ihren Magen

erreichte, sich dort ausbreitete, in ihre Eingeweide sickerte
und an ihrem Rücken wieder emporkroch. Es war genau das,
was sie jetzt brauchte.
Stirnrunzelnd beäugte Jack die halbvolle Flasche. „Soll
ich nicht doch noch bleiben?“ Eine psychische Katastrophe
schien sich anzubahnen.
Aus tiefblauen Augen streifte ihn ein unergründlicher
Blick. Sie schüttelte den Kopf und stellte das Glas ab, dann
stützte sie ihr eigenwilliges Kinn auf ihre Rechte und starrte
mit Philosophenmiene ins Leere. Wenn sie für den Rest des
Abends bei diesem Getränk blieb, würde sie wohl bald in
jenes dumpftrübe Brüten versinken, das Betrunkene für Tiefgang
hielten. Auf Zehenspitzen schlich er aus der Wohnung.

 

...

 

Sie war nicht nur heißblütiger, als er vermutet hatte, sie war
Dynamit. In ihrer Spontaneität sprach sie einfach auf alles
an. Goldfischsex musste herrlich mit ihr sein … Nie hätte
er sich vorstellen können, dass ihn eine hellhäutige Rothaarige
derart aus der Fassung bringen konnte! Nun, auch das
würde bald nichts Ungewöhnliches mehr für ihn sein. Sie
würde für ihn schneller ihren Reiz verlieren, als ihm lieb
war. Und dann? Noch war er seinem Ziel keinen Schritt näher
gekommen. Das halsstarrige Töchterchen dachte nicht
daran, bald wieder abzuhauen. Im Gegenteil, jetzt wollte sie
es sich so richtig gemütlich machen. Wollte sich ein Büro einrichten
und sein Sekretariat mitbenutzen. Sich bei seinen Damen,
so von Frau zu Frau, einschmeicheln. Dergestalt seine
Autorität zu untergraben, war ein gemeiner Trick. Vielleicht
sollte er mit seinem Charme zurückhaltender sein. Oder
sollte er fordernder auftreten? Hm … vielleicht könnte er
sie rasieren. Ahhh, allein der Gedanke daran brachte seinen
Soldaten in Stellung.
Arun sah auf und beobachtete Helen, wie sie voll Elan
zur Tür hereinmarschierte und mit schwingenden Hüften
auf ihn zukam, um dann vor seinem Schreibtisch stehen zu
bleiben. Sie schien unschlüssig, aber nicht unsicher. Ihre vollen
Lippen waren rosig und feucht.
„Bhenchod!“, fluchte Arun. Er sprang auf und stürmte
um seinen Schreibtisch herum. Unwillkürlich wich Helen zurück.
Würde er sie nun jedesmal anspringen, sobald sie sein
Büro betrat? „Deine Sekretärin …“, gab sie etwas besorgt zu
bedenken und wich ihm weiter Richtung Tür aus.
Bevor sie diese erreichte, packte er sie an den Schultern.
„Cheeni“, raunte er an ihr Ohr, „ich musste soeben an all das
denken, was wir miteinander gemacht haben …“

Sein warmer Atem hauchte ihr ins Gesicht. „Das werden
wir hier wohl kaum wiederholen können“, flüsterte sie, genauso
heiser in Erinnerung an die wunderbaren Dinge.
„Nein“, entgegnete er rau und fuhr dann gedehnt fort:
„Alles nicht …“
Dann verschmolzen ihre Lippen. Helens Knie wurden
weich und sie suchte nach Halt. Die harte Ausbuchtung in
seinem Schritt rieb über ihr Schambein und wurde nur noch
gezügelt vom festen Stoff seiner Hose. Unmissverständlich
drängte er sie zur Ledergarnitur hinüber.
„Arun!“, protestierte sie schwach, während sie schon an
seiner Hose nestelte und seine schwellende Männlichkeit ans
Tageslicht holte. Wenn sie ihn schnell entschärfte, konnte sie
vielleicht das Schlimmste verhindern. Und das bestand für
sie nicht darin, dass Miss Saigal unvermittelt hereinstürmen
könnte, sondern darin, dass dieser der Anblick gar nichts ausmachen
würde.