***spiel (AT)

 

 

Ursula Walch

Erotikroman

 

  • Business-class -

wenn du auf coole Typen fliegst

 

  • Ohne Champagner geht nichts -

mit zuviel auch nicht

 

  • Ich ficke - also bin ich

Rom aus horizontaler Sicht

 

Lost

Summertime in Barcelona

 

  • Die Geschichte fängt an etwas dichter zu werden

Sandsturm um Marrakesch

 

  • Mea culpa

mit ein paar Stamperln Adrenalin im Blut schläft es sich weniger

 

  • High-Life-Spießer oder Zweckoptimist

Haie haben ein dynamisches Verhältnis zu Moral und Ehre

 

 

1.

 

Mit Tantra zum Orgasmus deines Lebens. Ich schiele über den rechten Heftrand hinweg zu meinem Nachbarn. Wie er seinen Kugelschreiber zwischen den Fingern dreht ist verdammt scharf. Die Hemdmanschette gibt den Ansatz seines Handgelenks frei. Wenn sich von dessen Breite proportional auf seinen Joystick schließen ließe – oh my God! Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Impulsiv schüttle ich meine Mähne im Nacken. Wieder spähe ich zu seinen Händen, diesmal zu seiner Linken, in der er ein Skript hält. Die vier Knöchel wölben sich kantig vor. Fast aggressiv. Die ganze Hand bekäme ich nie hinein – obwohl, wer weiß?

Jetzt reibt er sich auch noch mit den Fingern der Rechten über die Knöchel der Linken, versonnen, fast sinnlich, dass du dir denkst: Grundgütiger, zwischen diese kräftigen Hände würde ich auch gern mal geraten!

Entschlossen stecke ich das Journal wieder in die Tasche. Der Typ neben mir macht mich nervös und ich bin ganz und gar nicht erpicht darauf, jemanden mit einem reißerischen Titel und einem pseudoseriösen Heft zu provozieren. Sieht irgendwie billig aus. Ich nehme die andere für den Flug mitgenommene Lektüre zur Hand und mache es mir bequem. Soweit man es sich in der x-ten Reihe Economyclass bequem machen kann, in die in Sardinendosenmanier sechs Sitze gepresst sind.

Das Problem hat der Typ in den Vierzigern auch und deshalb die Beine höchst provokativ gespreizt. Nicht zu übersehen sind die unter feinem Wollstoff sich abzeichnenden strammen Oberschenkel. Absolut antörnend. Selbige sind der einzige Grund weshalb ich beim Fernsehen gelegentlich zu Fußball zappe. In der Tiefe mache ich eine schicke Sonderanfertigung aus rehbraunem Kalbsleder aus. Nun, von der Gürtellinie abwärts schaut es schon mal recht vielversprechend aus. Verstohlen wandert mein Blick über den seitlichen Heftrand hinweg in die andere Richtung. Über der edlen grauen Hose ein gut sitzendes Hemd, in dem sich ein sportiver Body in Cornetto-Form abzeichnet... Ich stöhne leise in mich hinein.

Ein oberflächliches Interesse am etwas in die Jahre gekommenen Superkicker dieses Fliegers ist geweckt und jedenfalls stärker als die Quecksilberproblematik im Oyapock in Französisch Guayana, also lege ich das Magazin auf den freien Sitzplatz zwischen uns und gebe vor nach der Stewardess Ausschau zu halten. Dabei streifen meine Blicke unauffällig sein Gesicht. Neben den grobknochigen Pranken eckige Kinnlade. Kragenweite 46, oder mehr. Breitflächiges kaukasisches Gesicht. Einer Kolchose entsprungen? Also nein, sage ich mir und lächle, nicht ganz meine Klasse. Im Grunde träumen wir zwar von solchen Kerlen, nehmen sie aber nicht mit zu Vernissagen oder in die Kreativmilieus hipper Jungkünstler. Immer dieser tierische Ruf nach Stärke und Sicherheit, nach Tarzan, der den Eingang der Höhle bewacht, nach den harten Jungs, die ganze Scharen liebestoller Frauen im Schlepptau haben.

Der Managertyp in Armani-Montur konzentriert sich weiter auf seine Unterlagen. Wie kann er nur?, empöre ich mich. Eigentlich ein glatter Affront! Unfug, kontert mein Alter Ego, doch schon strecke ich Brust raus und ziehe den Bauch ein, geht ganz automatisch. Jede Wette, dass er nur so tut als ob! Provokativ schlage ich meine Leder bestiefelten Beine übereinander. Der leuchtend gelbe Mini verdeckt wirklich nur noch das Allernötigste. Saugt Tarzan nicht soeben scharf die Luft ein? Na bitte.

Ich fliege ja relativ oft. Noch nie saß irgendein Typ neben mir, den ich auch nur ansatzweise als Mann wahrgenommen hätte. Weshalb auch Sexismus wenig Aufregung bei mir verursacht. Um Kommentare als sexistisch zu empfinden, fehlen meistens die einfachsten Voraussetzungen – bei den Anlassgebern. Der Armanikleiderständer passt jedenfalls nicht hierher. Solche Typen fliegen normalerweise Businessclass und sitzen bei der Hautevolee jenseits der Trennwand. Die graue Wand separiert Welten.

Eine Stewardess nähert sich mit Zeitungen. Die kühle Blonde ist zum Anbeißen. Wenn sie sich bückt, in ihrem engen, knielangen Rock, sieht das unheimlich sexy aus. Auch der graue Wolf wirft ihr einige Blicke nach. Das nutze ich aus. Aus den Augenwinkeln versuche ich herauszufinden, was er da so angestrengt studiert. Ich erkenne ein paar Tabellen und Fettgedrucktes in Englisch und denke: wie öd, wieder einer dieser Wirtschaftshaie, die ihren Job so tierisch ernst nehmen. Was der Kerl wohl beruflich macht? Irgendwie möchte ich ihn aus der Reserve locken, ohne ihn anzusprechen. Das wäre zu einfach und überhaupt nicht sportlich. Ich könnte auf die Toilette gehen und ihm dabei en passant meinen Hintern in Augenhöhe entgegenstrecken. In Höhe sämtlicher Sinnesorgane. Die Idee lasse ich wieder fallen, denn erstens würde er sofort aufspringen, um mich vorbeizulassen und zweitens hasse ich Flugzeugtoiletten über alles. Versonnen werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Über den Wolken ein strahlendes Morgenblau.

Verzeihung, darf ich Sie etwas fragen?“

Das kommt jetzt doch irgendwie überraschend. Seine Stimme ist ziemlich hell für einen Mann seines Brustumfangs, nicht der tiefe Bass, den ich vermutet hätte. Meinen kleinen Triumph unterdrücke ich ritterlich. „Bitte“, sage ich, Stimme kühl, Lächeln hinreißend.