Shortstories

 

Sex über den Wolken

Sex im Flieger verbindet wohl jeder mit Sylvia Kristel. Jeder über vierzig und nach Woodstock. Lange Beine, kein Silikon. Die Story, so es eine gab, ist mir entfallen, ebenso der Name des Films… War da nicht eine karierte Decke im Spiel, die alles tarnte?

Decken werden ausgeteilt – nein, nicht kariert – und ich schiele zu meinem Nachbarn, einem grauen Wolf in Armani-Montur. Mein Chef. Er grinst mich an und ich weiß Bescheid. Diese zufälligen Berührungen schon beim Einchecken ließen mich kurz an meinen Kater denken, der garantiert dann Körperkontakt sucht, wenn der Zeitpunkt völlig ungeeignet ist. Dass graumelierte Mittfünfziger eine gefährlichere Spezies sind und sich nicht ins Körbchen verweisen lassen, wenn sie sich daneben benehmen, wird mir jetzt langsam bewusst. Wie weit würde er gehen?

Meine Befürchtungen, diesen Flug nicht „unschuldig“ zu überstehen, nehmen konkretere Formen an, als das Licht im Mittelgang erlischt. Ich könnte schwören, dass die harte Kante an seinem Schritt zuvor noch nicht da war.

Vor einer Woche habe ich den Auftrag angenommen, den Prokuristen als Dolmetsch zu begleiten. Schon beim Vorstellungsgespräch war sein Blick aufrichtig und eindeutig gewesen. Ich hätte ablehnen können, doch in seinem kühnen Blick lag etwas, das mich reizte. Nebenbei war der halbwöchige Job überdurchschnittlich gut bezahlt. Mit ein paar exotischen Drinks im Blut kein Problem, dachte ich, wenn überhaupt, wären es bestenfalls drei lausige Nummern. Mehr steht der Alte ohnehin nicht durch ohne Besuch auf der Intensivstation.

Nun bin ich mir nicht mehr so sicher. Sein Shirt entblößt sehnige Unterarme, breite Handgelenke und einen starken Nacken. Kräftige Finger greifen nach meiner Hand und schieben sie unter seinem nun gefalteten Sakko zu der harten Ausbuchtung. Flugzeugsitze bringen es ja mit sich, dass man sich schnell näherkommt.

Immerhin haben wir die Dreierbank für uns allein. Jenseits des Gangs ein blasser Spießer mit seiner Frau am Fensterplatz. Eine hochgewachsene Blonde, sensationelle Figur, bringt ihm ein Schlafkissen. Sie bückt sich um etwas. Dabei streckt sie meinem Chef ihren knackigen kleinen Hintern wie die abgebrühteste Horizontal-Hostesse in Höhe der Augen entgegen. In Höhe sämtlicher Sinnesorgane. Der einsame Wolf ist irritiert. Wenn sie noch einen Schritt zurückweicht, würde er sie in den Po beißen. Oder er schiebt seine Hand zwischen ihren Schenkeln hoch und ich sehe dabei zu. Diese Vorstellung erregt mich ungemein. Er beobachtet mich aus den Augenwinkeln und weiß den Glanz in meinem Blick absolut richtig zu deuten. Auf seine Lippen legt sich ein maliziöses Lächeln. „Wir alle haben verborgene Wünsche und Fantasien, denen wir uns früher oder später stellen müssen.“

Vermutlich früher, fürchte ich. Ich spüre das Pochen seines Rohrs, nur noch gebändigt von dem glatten Stoff. Sein Blick ist der eines Raubtiers kurz vor dem Sprung. Längst hat sich sein Kontrollzentrum vom grauen faltigen Cerebrum, wo es die Verklemmten und Ahnungslosen rund um uns vermuten, in tiefere Regionen verlagert. Dann rauscht die Blonde wieder ab.

Der graue Wolf aber kann nicht mehr warten. Er dreht sich mir zu und zieht mich zu sich heran. Im Halbdunkel sehe ich die Lichtreflexe vom grün leuchtenden Exit-Schild in seinen Pupillen tanzen. Sein Mund ist verwirrend nah. Ich schließe die Augen und unsere Lippen berühren einander, zart, beinahe zögerlich. Das Raubtier lässt sich Zeit. Bevor er seine Lippen öffnet, legt er eine Hand an meinen Hals. Spielerisch wandert sie in meinen Ausschnitt, dann dorthin, wo sonst die Brosche sitzt. Er findet die Beere und beginnt an ihr zu drehen. Schauer laufen über meinen Rücken. Ich öffne mich ihm, wild und fordernd. Das Spiel seiner Zunge und seiner Finger füllt meine Adern mit Feuer.

Ich stöhne, die Finger an meiner Brust sind unerträglich! Entweder rücke ich ab, oder er würde der vermutlich erste in einem Flugzeug von einer Dolmetscherin vergewaltigte Prokurist werden. Ich entscheide mich für den Fensterplatz und entziehe mich ihm.

Er rückt nach, treibt mich in die Enge. Sein Cola-Rum geschwängerter Atem streift meine Wange. „Komm schon!“, raunt er mit kehliger Stimme und bauscht die Decke über seinem Schoß.

Die Situation ist grotesk. Meine geschickten Finger öffnen den Zipp. Ich nehme seinen Speer in die Hand, der sofort hochfährt. Der graue Wolf atmet stoßweise. Doch statt sich an einer soliden Handarbeit zu erfreuen, packt er meine Hüften und zieht sie zu sich. Finger wie Stahl bohren sich in mein Fleisch.

Er dreht sich seitlich und die harte Spitze berührt mich durch den Stoff. Mein Puls beschleunigt sich dramatisch. Hektisch schiebe ich meinen Rock hoch. Seine Finger stoßen auf den Widerstand meines feuchten Tangas. Er schiebt ihn zur Seite und ich wölbe ihm meine geschwollenen Schamlippen entgegen. Wenn er mich an meinem empfindlichsten Punkt stimuliert, würde ich auf der Stelle kommen. Aber das tut er nicht. Stattdessen gleiten seine Finger forschend über das glitschige Nass. Ungeduldig wippe ich mit dem Becken.

„Mach endlich!“, flehe ich. Mir ist einerlei, wer das jetzt mitbekommt. Ich will nur noch eines: das drängende Pochen in meiner Spalte stillen.

Ruckartig drückt er meinen Oberkörper auf den Sitz. Er setzt an und bohrt seine Lanze in mein heißes Fleisch. Füllt mich aus. Gepfählt von der pulsierenden, prallen Härte, die er mir bis in die Eingeweide gestoßen hat, schließe ich die Augen. Langsam beginnt er sich in mir zu bewegen. Gnadenlos langsam. Ich zwänge die Hand zwischen meine Beine und stimuliere mich selbst. Das Zucken meiner Spalte lässt seine Stöße härter werden. Nicht lange und der graue Wolf krümmt sein Becken und verströmt sich in mir.

Verstohlen sehe ich mich um. Nur der Nachbar dreht sich zu uns herum. Der blasse Typ, dessen Brille mit Goldrand etwas verrutscht ist, schließt offensichtlich ahnungslos wieder die Augen und träumt vielleicht von einer, die es eigentlich nur im Film gibt. Ah ja, Emmanuelle, ich erinnere mich wieder.

 

© by Ursula Walch

 

 

Sex in the city

Wieder heftet sich mein Blick auf diese Rundungen. Sensationell. Unerreicht. Seit dem ersten Tag in dieser Firma ziehen sie mich magisch an. Sportlich nehme ich die letzten Stufen, dann stehe ich vor ihr, der Göttin. Eine perfekte Mischung aus Monroe und JLo. War es anfangs der Gesamteindruck des Bildes, der mich fesselte, stellte ich mit der Zeit fest, dass sich das Besondere an ihr auf ein Detail reduziert, wenn auch ein göttliches. Cherchez le detail. Und du entdeckst den kühnen Schwung ihrer Hüften in dem hautengen schwarzen Kleid und denkst: Allmächtiger, in diesen geilen Schoß würde ich auch gern meinen Kopf vergraben. 

Heute morgen ist irgendetwas anders. Gedankenverloren betrachte ich die Unbekannte auf dem vergilbten Poster im Halbstock. Vielleicht hat es damit zu tun, was meine Lebensabschnittspartnerin beim Frühstück zu mir sagte. „Mit fünfzig solltest du deine Existentialisten-Phase langsam überwinden.“
Ich sah an meiner vollkommen schwarzen Kleidung hinunter. Warum?, fragte ich mich, dachte aber, dass die Frauen in einem bestimmten Alter spirituell viel weiter sind als unsereins. Danach, vor dem Spiegel siegte die selektive Wahrnehmung: wir sehen, was wir sehen wollen. Und das ist ein an den Schläfen ergrauter, schlanker Endvierziger. Sportliche Figur, topfit. Bis auf die Bandscheiben. Und den Meniskus. Und die Lesebrille.
What shall's, denke ich und setze den Weg zum Büro fort. Dort kleben seit meinem gestrigen Geburtstag Oriah Mountain Dreamers Worte an meinem PC: „Es interessiert mich nicht, wie alt du bist. Ich will wissen, ob du es riskierst, wie ein Narr auszusehen, um deiner Liebe willen, um deiner Träume willen und für das Abenteuer des Lebendigseins.“ Klartext: Alles ist – noch – möglich. Schmunzelnd fahre ich den PC hoch.

Irgendwann war es Nachmittag, Freitag Nachmittag, und mein Chef und unsere Sekretärin verabschieden sich und verlassen – gemeinsam – das Büro. No comment, das ist nicht mein Bier. Ich winke ihnen zu und vertiefe mich wieder in meine Arbeit am PC.
Da fliegt die Tür auf. Eine rauchige Stimme in meinem Rücken murmelt ein „Verzeihen Sie“, und elektrisiert fahre ich herum. Sie rauscht herein, steht vor mir. Nicht irgendwer. Die Frau des Chefs.
Dieser Gang...! Sämtliche Zellen setzen Adrenalin frei. Ich lockere meine Krawatte und starre auf diese Frau, als wäre sie eine Erscheinung. Sie bewegt sich erneut und plötzlich erkenne ich am Schwung ihrer Hüften das verräterische Detail: Die Göttin! Mein Adrenalinspiegel sagt Kampf oder Flucht. Nahkampf beschließen die nur noch schwach durchbluteten Gehirnzellen, da mein tapferer Mitstreiter schon willig dasteht und offenbar eine reelle Chance wittert. Also sofort über sie herfallen.
„Giancarlo?“
„Wie?“, frage ich und sehe bestimmt aus wie ein Idiot.
„Sind sie gemeinsam gegangen?“
Ein maliziöses Lächeln legt sich um meine Mundwinkel. „Ich glaube schon.“ Für mich ist klar, dass sie alles über ihn und unsere Vorzimmerbraut weiß. Vermutlich besorgt er es ihr soeben auf italienisch, rauf - rein – raus - runter, ein Drüberrutschen, mehr wird es nicht sein. Aber das sage ich meiner Göttin natürlich nicht, um meine koitablen Chancen bei ihr zu erhöhen. Auch nicht, dass die Tippmaus die Erotik eines Turnschuhs hat.
„Also...“, beginnt sie mit ihrer Marlboros gebeizten Stimme und spielt mit ihrem Armreifen. Plötzlich ruft sie: „Shit!“, und sieht mich an. „Jetzt hab ich einen Stein verloren!“ Hastig bückt sie sich.
Nein, nicht bücken, will ich rufen, da ist es zu spät. Gnadenlos streckt sie mir ihren Hintern entgegen, zwei Schritte von meinem Schreibtisch entfernt! Halb betäubt gehe ich in die Knie. Ich tue, als würde ich ihr suchen helfen, aber in Wahrheit starre ich nur auf ihren Hintern. Diese geniale Rundung in dem engen schwarzen Kleid. Mein Blick verrät den harten Kampf, den die Masse in meinen Shorts mit der Masse zwischen meinen Ohren ausficht.  Zur Salzsäule erstarrt arbeitet nur noch meine Fantasie.

Es ist die Frau des Chefs, hämmert es in meinem Kopf. Und wenn schon, sagt mein Alter Ego, der Chef ist ein Schwein. Ganz en passant schaffe ich es auf Knien nahe an sie heran zu rutschen. Sie sucht noch immer den Teppich vor mir ab, wendet sich dahin und dorthin und streift, ganz zufällig, an mir an. Augenblicklich bricht mir der Schweiß aus. Jetzt wird es wirklich eng in meinen Jeans. Mit einem Stöhnen umfasse ich ihre Hüften von hinten. Ihr Körper erbebt und sie richtet sich auf. In ihrem Blick liegt Angst und Erregung, Neugier und Panik und alles liegt verdammt eng beieinander.
Ich presse mich an sie, hauche ihr meinen heißen Atem in den Nacken. Ein erregt-verwirrtes „Ohhhh...“ lässt darauf schließen, dass sie die Dimension der harten Kante an meinem Schritt richtig deutet. Mit beiden Händen schiebe ich den Saum ihres Kleides hoch und sie lässt es geschehen. Ich taste die seidenweiche Haut an der Innenseite ihrer Schenkel hinauf, dann unter die zarte Spitze, die letzte Barriere vor dem Himmel auf Erden. Die Lady ist glatt rasiert und so feucht wie ... ahhh! Als mein Finger in ihre Spalte dringt, zuckt sie zusammen. Dann beugt sie sich kniend vornüber und beginnt sich lasziv in den Hüften zu wiegen. Ich ziehe meinen Finger heraus und lutsche ihren herben Saft.
Den Zipp zu öffnen und meinen Präsidenten zu befreien ist eins. Während er zwischen ihren Schenkeln reibt und übergeht wie eine volle Gießkanne, ziehe ich die schwarze Spitze über ihre Pobacken und streichle über ihre Rundungen. Zärtlich, beinahe andächtig. Umso forscher greift SIE nach IHM. Bevor ich in ihrer Hand explodiere, bohrt sich mein Pfahl in ihr heißes Fleisch. Benebelt höre ich nur ihr Seufzen und Stöhnen, das drängender wird. Nicht lange und unsere beiden Körper erschauern in einem Spiel in molto crescendo.

Das näher kommende Stakkato bekannter Pfennigabsätze und die quietschenden gummibesohlten Flossen des Chefs holen mich in die Realität zurück, bevor die beiden in der Tür stehen. Die Göttin kniet immer noch auf dem Teppich, und ich gebe zu, die verfängliche Pose lässt nicht wirklich vermuten weshalb.
Es ist so still wie in einer Aufbahrungshalle. Sonst hatte der Chef stets irgendwelche flotten Sprüche parat, kleine Floskeln zwischen Plattitüde und Esoterik-Schmus. Jetzt sind die tektonischen Verwerfungen in seinem Gesicht das einzige Lebenszeichen. Doch er bekommt sofort wieder Oberwasser.
„Betreibst du ... Feldforschung?“, ätzt er zu mir. Das ist treffend, denn schließlich bin ich Marketingexperte bei Intimissimi.
Die Göttin springt auf, mit Mordlust im Blick, und auch ich rapple mich hoch. „Sie hat was verloren“, knirsche ich.
„Aja.“
Gottverdammter Wichser! Während die Göttin irgendetwas von einem Nachspiel zischend abrauscht, begnüge ich mich mit den ungleich weiseren Worten des Indianers. Ich habe soeben wohl wie ein Narr ausgesehen. Und es war ok.

 

© by Ursula Walch

 

Trommeln im Bauch

 

Das Publikum tobt, doch die mächtige Taiko-Trommel ist lauter. Jeder Schlag sitzt, als wäre er ein Unikat. Mit kurzen Holzstäben massiert der japanische Glatzkopf das Trommelfell der hüfthohen Trommel, die als Wohnort der Götter gilt. In Japan, so heißt es, trommelt man, um die Götter aufzuwecken. Das muss einfach funktionieren. Es klingt wuchtig und martialisch. Nicht nur mein Trommelfell schwingt, mein ganzer Körper bebt. Mit jedem Schlag.

Stählerne Arme, gegrätschte Beine, ernster Blick: der kahlköpfige Cheftrommler der Tenrindaiko-Gruppe hat das Publikum fest in der Hand. Andächtig lauscht es jedem seiner Schläge, verfolgt es jede seiner fast anmutigen Bewegungen. Als er seine jüngeren Kollegen zum brachialen Trommelwirbel anfeuert, vibriert alles in mir. Es ist ein Wunder, dass ich das Vibrieren in meiner Hosentasche überhaupt bemerke. Die Redaktion meines Blattes klopft an. Wenn sie meinen Urlaub stört, muss es wichtig sein. „Japanische Trommler sind in der Stadt - sensationell!“ flüstere ich ins Handy und schleiche mich aus der Vorstellung. Einen letzten Blick werfe ich auf die Bühne, wo der Glatzkopf soeben zum Stakkato ansetzt - und fluche über meinen Job.

Ich verlasse den Hauptplatz und hetze zum Auto, das wieder einmal irgendwo steht. Irgendwo in der zugeparkten italienischen Altstadt. Mögen andere Angst haben, enge südländische Gassen des Nachts allein zu durchqueren, ich habe keine Zeit dazu und nehme sogar noch die Abkürzung durch den Park. Selbst polizeiliche Schwarzgurte in mindestens drei Disziplinen streifen dort nur paarweise herum. Shaolin ist ja gerade ganz en vogue. Durchtrainiert bis in die Magenschleimhaut. Echte Mönche hätten mit den Dieben und Dealern vermutlich längst kurzen Prozess gemacht. Echte Mönche sind auch sonst kompromisslos. Und bescheiden, nicht nur bei Haarschnitt und Outfit - vielleicht ein Grund, warum sie fünf Jahre länger leben als ihre Geschlechtsgenossen außerhalb der Klostermauern. Angeblich gilt das für alle Mönche.

Während ich mir diese und ähnliche Gedanken über Helden mache, auf die ich hier ganz sicher nicht treffen würde, begegnen mir ein Schwarzer und drei südländisch anmutende Kerle. Kein Problem, sage ich mir und setze zu einem letzten Endspurt an, etwas beeinträchtigt durch High heels und definitiv zu engen Klamotten. Unbehelligt erreiche ich mein Auto und starte los. Die Geschichte ist brennheiß und eilt. An der westlichen Ausfahrt von Sanremo steigt der Fotograf zu, der mich zur Villa des Rennfahrers begleiten soll. Wir berichten all inclusive, mit Fotos und Interviews vom Gärtner, der Raumkosmetikerin, wen immer wir vor die Linse zerren können.

Die Umhängetasche landet auf dem Rücksitz, ihr Besitzer an meiner Seite. „Silvio“, raunt die sonore Stimme, tiefer als ich dem Brustumfang nach vermutet hätte.

Aus den Augenwinkeln sehe ich mir den dunkellockigen Schönling in den Dreißigern näher an. Wo hat die Redaktion nur diesen Beau aufgegabelt? Der Rennfahrer ist vergessen, die japanischen Trommler sind es ebenfalls. Obwohl, nicht ganz vielleicht. Ich fange Silvios Blick auf und mein Bauch vibriert von neuem, stärker als zuvor. Ich seufze, dann gehört meine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder der Via Roma, unsere südlichen Nachbarn fahren zum Teil ja wie die Affen, können aber schöner singen und besser kochen. Ob da irgendein Zusammenhang besteht, weiß ich nicht, möchte allerdings dramatische Szenen mit hupenden Autos und kreischenden Frauen auf der römischen Avenue vermeiden.

Eine dunkle Hand legt sich auf meinen Schenkel. „Bella...!“, flötet der Märchenprinz rau.

Wir sind im Dienst“, wende ich in passablem Italienisch ein, auch wenn ich im Moment auf Urlaub bin.

Silvio grinst. „Genaugenommen noch nicht. Eigentlich sitze ich noch gar nicht in deinem Auto.“

Ah ja, du biegst gerade um die Ecke mit dem Wunsch, über die Nächstbeste herzufallen, vorausgesetzt sie trägt schwarz und hauteng.“ Jeans und Top punkten schwarz und sündhaft eng auf meiner gebräunten Haut.

Sein gerauntes „Possibile...“ zergeht ihm auf der Zunge. Wie es sich wohl anfühlt, diese zwischen den Schenkeln zu spüren, wie er damit an mir spielt, meine Lust schmeckt, in mich dringt? Mein Puls steigt ob der Prägnanz dieser Vision. O Gott! Diese unverschämt attraktiven Norditaliener, stahlblaue Augen, dunkler Teint...!

Irritiert steuere ich den Corso Imperatrice entlang. Auf den Bürgersteigen die Jugend von Sanremo. Auffordernd nicke ich zum Fenster hinaus. Während Silvios Hand zu allem entschlossen meinen Schenkel hinauf wandert, zuckt seine Schulter verächtlich hoch - die Fülle grellbunter, lauter Teenies lässt wohl die Wahrscheinlichkeit auf ein Abenteuer da draußen gegen Null tendieren. Ich sehe den knackigen nordadriatischen Nachwuchs differenzierter. Genau diese jungen Dinger haben mir heute Casanova weggeschnappt, den schnuckeligen Barkeeper des Hotels, als ich quasi in Poleposition lag, unten am Pool.

Mein Sonntagsromeo wird bestimmter und ich sitze auf spitzem Hintern und presse die Knie zusammen. Das ist ein Fehler, seufze ich, aber der Job geht vor. „Das zieht bei mir nicht“, beteuere ich und entdecke an mir ein Talent zu geradezu schamhaftem Lügen.

Eine leichte Unschlüssigkeit hängt in der Luft, dann gibt er – leider – auf, nimmt Haltung an und macht auf sportlich. Souverän dirigiert er mich die Küste entlang bis zur Villa des Rennfahrers. Als wir ankommen, treffen wir nur noch auf die Polizeistreife, das Morddezernat und Dutzende Journalisten. Immer wieder schweift mein Blick zu Silvio. Er arbeitet professionell, handhabt die Kamera mit den präzisen Bewegungen eines Scharfschützen.

Endlich ist unsere Arbeit getan und ich berichte noch im Wegfahren, was über das Blutbad herauszufinden war. Der Hauptbericht folgt im Hotel. Silvio verstaut seine Kamera und ich drehe das Radio an. Drehe lauter. Freudig überrascht trommle ich aufs Lenkrad. Die dumpfen Schläge der übertragenen japanischen Performance hallen in der Magengrube wider und bringen sie zum schwingen. Aus den Augenwinkeln linse ich zu meinem Fotograf und weiß seinen Blick völlig richtig zu deuten. Im Nu befindet sich seine Hand wieder auf halber Strecke zwischen Knie und Himmelreich. Streichelt die zarte Haut an der Innenseite meines Schenkels. Wandert höher. Ich erbebe von der Gasfußspitze bis unter die Haarwurzeln. Das hier, das ist etwas anderes, fühle ich. Sicherheitshalber steuere ich den nächsten Parkplatz an.

Kaum drehe ich den Zündschlüssel um, drückt Silvio mich in die Polsterung. Finger wie Stahl umklammern meinen Oberarm - aber wer will fliehen? Sehnsüchtig schiele ich auf seine weichen Lippen, die sich den meinen langsam nähern. Ich öffne mich ihm und unsere Zungen verschlingen zu einem endlosen Kuss. Zielstrebig streift er die Träger von Top und BH über meine Schulter. Von der kleinen Grube unter meinem Kehlkopf zieht er eine feuchte Spur bis zur Brustwarze, um deren rosige Aureole er die Zunge kreisen lässt, um hie und da, wie unabsichtlich, über die feste Knospe zu lecken und schließlich flüchtige Küsse daraufzusetzen. Mit zitternder Hand fahre ich durch sein dichtes Haar. Er hebt den Kopf und sucht meinen Blick. Im dunklen Blau der Iris spiegelt sich das schwache Licht der Laterne wider. Dann taucht er ab, umschließt die rosa Himbeere mit den Lippen. Sie wird größer und härter, und er beißt hinein, ganz zart und vorsichtig. Lutscht, knabbert, saugt an ihr. Und eine Hand wandert tiefer. Kundig, neugierig. Meine Hände fliegen nun durch seine Haare, zerzausen ihn schonungslos, meine Lippen halten nicht still, ich stöhne und dränge mich an ihn. Spüre die scharfe Kante in seinem Schritt und taste nach ihr. Köstliche heiße Blitze fahren dorthin, wo es keine Erlösung geben würde - nicht hier im Auto, sage ich mir. Wir sind ja keine sechzehn mehr. Obwohl ... verdammt … und irgendwann frage ich mich, ob ich noch zu retten bin.

Aus dem Äther ertönen noch einmal die Trommeln. Es passiert. Mir und jetzt. Mein ganzer Körper schwingt, ich spüre die Trommeln im Bauch, die Götter sind geweckt.


© by Ursula Walch